Dienstag, 31. Mai 2011

Stalking

Wenn ich weiß, dass ER neun Uhr dreißig bei A  arbeiten muss,
wenn ich neun Uhr dreißig  einen Termin bei E habe, zu dem ich, mit Autoparken, über X und Y gelangen kann, den Punkten wo ich IHN träfe, wenn ER mit dem Auto führe,
wenn ich einrechne, dass schönes Wetter ist und kurzentschlossen, noch vor A,  X und Y in den Wind schlage und  links abbiege Richtung A, B,C,D und E ,einem direkten Weg zu meinem Ziel,
weil ich auf dem Rückweg von E, meinem Termin, zum bei B geparkten Auto  noch C erreiche, wo ich ganz dringend was zu erledigen habe...,
wenn ich neun Uhr fünfzehn mein Auto bei B parke, dann zu Fuß an C vorbei Richtung E, meinem Termin, laufe und IHN dann sechs Minuten vor halb zehn auf dem Fahrrad kurz hinter D, seinem Zuhause,mit blauer Sonnenbrille an mir vorbeifahren sehe,
ist das dann Stalking ?

Der Zauberer

"Das grenzt an Zauberei" meinte jener Verwirrte, als er mit der Kraft des Phönix aus den Tiefen gezogen wurde.
"Das grenzt an Zauberei" , schrieb ich damals an den un- heimlich in meinem Tagebuch lesenden Sanatanas, um ihm mein Gefühl von Verliebtheit zu beschreiben, welches sich jeder Logik entzieht.Jemand musste mir etwas von diesem entsetzlichem Liebestrank eingeflößt haben, denn ich war offensichtlich gänzlich meines Verstandes beraubt.
Sanatanas unterschrieb seine nächste Mail an mich mit GANDALF, was ich witzig fand und mein Gefühl für ihn wieder aufflammen ließ. Jedoch beharrte er im Weiteren darauf, mich, wie schon vor  fünfundzwanzig Jahren, unerschätzen zu wollen, mich in die Ecke des Kleinchens zu stecken, wo ich mich als Siebzehnjährige für ein paar Wochen wohl zu fühlen vorgab...

Sehr sehr gekränkt gaben wir auf,weil wir nicht zaubern konnten. Weil ich nicht aufhören konnte, unaufhörlich an IHN zu denken. Weil wir  all diesen Eitelkeitenquatsch nicht ertrugen.

An Zauberei glaube ich dennoch unbeirrt. Heute früh joggte ich durch eine Wiese blauer Schmetterlinge und ich wusste, dass ich richtig bin.

Sonntag, 29. Mai 2011

Am Frühstücksbuffet

Gut fünfzehn Minuten vor der Zeit erklimme ich die Treppen des hiesigen Nobelhotels und schreite über die Terrasse durchs Foyer am Empfang vorbei,  "Guten Morgen" rufend. Schon um die Ecke auf dem Weg  Richtung Office, höre ich  Antwort:" Guten Morgen, Frau Sonnenberg" und glaube an eine Halluzination.
Frau Schrimm, eine große, stämmige und beherzte Mitsechzigerin,die Cheffin im Office, beäugt meine befohlene Kleidung: Schwarze Jeans, schwarze Schuhe, weiße Bluse." "Gut! Sooo,die Bluse stecken sie mal rein , und sooo", und sie bindet sie mir liebevoll selber um den Bauch ," soo kommt die Schürze!" Perfekt sehe ich aus. Meine dunklen glatten Haare in einen strengen Zopf gebunden, Fingernägel kurz und sauber,"Das ist ihr Tablett"
Innerlich nehme ich die demütige Halltung eines Gilbert Grape ein. "Sie gucken einfach wie Heike es macht." "So kommt die Serviette","OK"," Hier sind die frischen Tassen","OK", " Was laufen sie mir nach ?,Immer nur eine Servicekraft an den Tisch!","OK",  "Erst fragen, bevor man den Teller wegnimmt","OK","Frischer Kaffee steht hier, die leeren Kannen kommen dort drüben hin, haben sie noch Fragen ?"
Kräftig bei der Arbeit zupacken kann ich schon immer. Wenn schon Arbeiten , dann richtig. Es macht viel mehr Freude, es, was auch immer, eifrig und mit großer Sorgfalt zu tun. Nach kurzer Zeit, als die Gäste in größeren Rudeln erscheinen, sehe ich nur noch schmutzige Teller, neu einzudeckende Tische, kratze Marmeladenreste aus winzigen Glasschälchen in den Allesmüll, reibe mein Tablett wieder sauber , mich erneut durch die Schwungtür an die Front zu stürzen. Ab und wann erheische ich ein anerkennendes Lächeln einer Kollegin und nach gut der Hälfte der Zeit von Frau Schrimm ein: "Alle Achtung, wenn sie das wirklich das erste Mal machen, große Klasse". "Danke!"
Irgendwann scheint für mich die Arbeit beendet, neue Gäste trudelten nicht mehr ein und ich freue mich aufs Nachhausegehen.
Der kompliziertere, anspruchsvollere Teil der Arbeit beginnt. Von jeder der nun folgenden Tätigkeiten zur Vorbereitung des Mittagessens gibt es in der Umsetzung eine genaue Vorstellung. Jede noch so kleine Abweichung ist unduldbar.Aber keiner da, der mir sagt:" sooo". "Was machen sie da?!! Die sechs Stapel Teller haben genau HIER zu stehen und dürfen nicht höher sein als sooo. Die Tische müssen sooo über Eck , sieht blöd aus, aber der Chef will das so..."
Rasch gehe ich Heike zur Hand, zwei eingedeckte Tische zu verschieben . Schwub, da ist es umgefallen, das winzige Väschen."Sorry", sage ich nur, und schnappe schon die versauten Tischdecken. Aber Heike reagiert: " So eine Hektik, das kann ich  nicht ausstehen."  "OH!", denke ich nur, bei der hast du dir mit deinem Fleiß wohl eher keine Freundin gemacht.Silke deckt ruhig und gelassen alles neu ,lächelt mich verständnisvoll an, ich verziehe mich.
" Für sie habe ich da  mal eine ganz andere Aufgabe,"kommt Frau Schrimm auf mich zu,"gießen sie bitte mal sooo die Pflanzen in allen Räumen"und drückt mir zwei volle Kaffeekannen in die Hand. "OK"
Da kann ich nichts falsch machen: Pflanze am Schopf packen, zwei Zentimeter Wasser in den Übertopf, loslassen, fertig. Mann, ist das dreckig  auf den breiten Fensterbänken,machen das die Fensterputzer oder die Putzfrauen? Ich soll gießen.
Übersorgfältig erledige ich alles und wende mich noch einmal den Stühlen zu, die ich von Krümeln und Schmierkäse befreie."Siiie kommen bitte nocheinmal mit mir nach hinten ", zieht mich Heike am Arm zu den Fensterbänken.... "OK", antworte ich kurz, schnappe mir einen Lappen und beginne , wochenalten Dreck abzukratzen, fühle mich aber nicht gänzlich unwohl in dieser gedemütigten  Pose. Aschenputtel  und König Drosselbart fallen mir ein.Heike hat nur Angst vor mir. Sie ist schlau und fürchtet eine ernstzunehmende Rivalin. Frau Schrimm hatte vorhin schon von einem mir vielleicht auch bald möglichen Aufstieg auf eine Achthundertbasis geprochen.Heike arbeitet auch auf Vierhundertbasis."OH?!"denke ich und frage sie unerfahren,wie oft man eigentlich kommen muss für  dreihundertfünfzig (So "viel" kommt  am Ende  raus, lerne ich )." Naa, das kommt auf den Stundenlohn an, den man kriegt!",antwortet sie breit grinsend und sehr zufrieden.
Egal, Frau Schrimm, die das Sagen hat , ist begeistert und eine freundliche Dicke, die die ganze Zeit mitgearbeitet hat und sich als die Frau des Direktors herausstellt, ebenso. Jaa, sie war es, die früh morgens am Empfang gestanden hatte. "Wir sind sehr zufrieden mit ihnen Frau Sonnenberg."
PS:Ganz ganz am Ende hatte ich noch die zweidrittelvollen Zuckerstreuer aufzufüllen.Das war mein Kobayashi-Maru-Test . Er ist nicht zu bestehen.Es ging ausschließlich darum, zu sehen, wie ich reagiere.Das Schraubglas randvoll gefüllt mit Zucker soll der Schüttkolben mit Schraubdeckel eingeführt und verschraubt werden. Dies ist nicht möglich.
Ich habe bestanden. Die Lösung besteht darin, aufzugeben, ein Drittel wieder auszugießen und das gut verschlossene , schüttfähige und immernoch zweidrittelvolle Resultat selbstbewusst sooo abzugeben.

Montag, 23. Mai 2011

Probearbeiten

Ich habe ein Hochschulstudium und Zusatzqualifikationen im Wert von mehr als hunderttausend Euro absolviert.
Morgen werde ich an einem Frühstücksbuffet probearbeiten, unentgeldlich versteht sich. Wenn sie mich nehmen, kann ich ca 6Euro in der Stunde verdienen.
Meine polnische Freundin Marga hat mir den Kontakt vermittelt. Sie meint , ich käme dort auf andere Gedanken. Außerdem hätte ich mit den Menschen dieser Stadt dort nichts zu tun. Es seien ausschließlich Touristen zu bedienen oder andere Gäste der Stadt.
Das Schlimmste für mich wär, wenn ER erfahren würde, was ich da tue. Aber ich mache mir nichts vor: In dieser winzigen Stadt kann man reinweg gar nichts verbergen. Irgendwann kommt jemand, der einen kennt und es erzählt.
Na ja, noch habe ich diesen Job ja nicht einmal. Wer weiß, vielleicht wirke ich auf diese Leute irgendwie beängstigend und sie nehmen mich am Ende nicht. Wär nicht das erste Mal. Marga sagt: Sei einfach schön bescheiden , wenn du ein bisschen dumm bist, stört das eher weniger.
Auf jeden Fall wird es eine Erfahrung, eine Ablenkung. Ich freue mich auf die Eindrücke und hoffe einfach , dass mich niemand erkennt.

Tausende Briefe habe ich drei Jahre lang voller Schmerz und unerfüllter Sehnsucht an IHN geschrieben. Jeder wollte wissen, wann das endlich mal aufhöre... Wie sollte ich meine Gefühle stoppen ?  Die Geschichte war beendet,jede Hoffnung gestorben, nicht aber meine Liebe zu ihm.
Am meisten Angst hatte ich vor der Leere danach. Alles war leichter zu ertragen , als diese, sogar der schmerz war mir lieber.
Ich konnte mir nach all der langen Zeit gar nicht mehr vorstellen, dass ich noch einmal etwas anderes empfinden könnte.,wöllte.
Etwas anderes ist nicht in Sicht, nichts .Nichts, was mich auch nur ansatzweise so erfüllt , wie jenes.
Ich atme ein und aus, schlafe immermal schon wieder eine Nacht durch, kümmere mich wieder um meinen Garten und beginne die Nebenschäden, die meine Geschichte in meinem Leben verursacht hat, zu beheben.
Es geht mir vergleichsweise gut. Dienstags und donnerstags  abends sehe ich ihn.  Wir sprechen kein Wort miteinander. Unsere Blicke kreuzen sich höchstens Bruchteile von Sekunden, aber ich sauge diese Momente auf  uns sie werden mir zu einer Ewigkeit. Sie sind alles, was ich von und mit ihm hab.
Seine Fenster zum Hof standen zum Lüften  offen, sein Auto vor der Tür. Zu wissen, ER ist da, ich gehe an seinem Haus vorbei. Heute hätte ich wie jeden Montag früh bei ihm sein können, aber ich verzichte, damit wir genügend Abstand behalten, damit das alles nicht noch einmal zu viel wird.
Inzwischen habe ich keine Schmerzen mehr, wenn ich an ihn denke, aber ich denke an ihn, jeden, jeden , jeden Tag.

Wenigstens begegnet er mir freundlich, ich hab sogar das Gefühl, mit Respekt. Endlich. Das war ein sehr weiter Weg.
Tom sitzt mit der Walze auf dem Schuhof.Jeder, der irgendwas mit ihm unternimmt ist besser als das Nichts, welches ihn umfängt, wenn er alleine ist. Als ich soeben mit ihm telefonierte , hörte ich ihr lautes Lachen im Hintergrund. Sie erschafft immer wieder diese Welt des Lachens, einer unnachahmlich heiteren Lebensfreude.
Der Preis ist hoch,den die bezahlen, die sich darauf einlassen.
Ich vermisse sie. Ich vermisse die unbeschwerte Heiterkeit, diese Gabe, den Augenblick vollends genießen zu können, ohne sich über irgendwas Sorgen zu machen. Sie ist aber eben auch die Walze, die am Ende alles zerstört, was ihr in die Hände gerät: Menschen, Gefühle, Liebe und Vertrauen. Man muss sich entscheiden, oder es verstehen, sie ausschließlich sehr, sehr dosiert zu genießen.

Freitag, 20. Mai 2011

Freitag,20.5.2011,11:07

Sah IHN, als ich heut zur Arbeit fuhr. Er war wohl auf dem Weg, für sich und seine Freundin Brötchen zu holen. Ich erkannte ihn so verschlafen nicht in der ersten Sekunde, doch dann traf mich sein Blick: freundlich, zugewandt und meine Augen weiteten sich aufgeregt, wie immer, wenn ich ihn sehe.Ich hätte ihm entgegenlaufen wollen, ihn freundlich anlächenl, stattdessen schaute ich weg.
Es gut werden zu lassen, darum hatte ER sich in den letzten Wochen bemüht. Ich bin es, die dazu scheinbar immernoch nicht in der lage ist, obgleich ich mir das doch so sehr wünsche.
Ich bin ihm dankbar. Besser gehts eben nicht.